DVM Petra Senger: Eine Amtstierärztin und die Stunde Null der ASP in Deutschland

9. September 2020, der Tag des ersten Nachweises der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland. „Das ist jetzt mein Leben“ – DVM Petra Senger, Veterinäramtsleiterin im am schwersten betroffenen Oder-Spree-Kreis, berichtet über Überrraschungen trotz Krisenplänen, über Zaunbau, Bergeteams, Riesenerwartungshaltungen und Kommunikation mit Augenmaß.

Tierseuchenbekämpfung ist nichts für zartbesaitete – DVM Petra Senger spricht offen über die enormen Herausforderungen, den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Brandenburg unter Kontrolle zu bringen. „Man wächst mit seinen Aufgaben, aber manchmal fragt man sich, ob man soviel Wachstum eigentlich selber noch braucht“. Es geht um Entschlusskraft, Pragmatismus und Augenmaß. Die Amtstierärztin berichtet über die Stunde Null der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland aber auch über die besonderen Herausforderungen für Tierärzte/innen, die im öffentlichen Veterinärdienst arbeiten.

Inzwischen sind auf der deutschen Seite der Grenze zu Polen über 1.200 ASP-Fälle bei Wildschweinen bestätigt, auf der polnischen Seite rund 5.000.

Darüber werden Sie was hören – Zeitstempel:

02:50Wie das Unvermeidliche doch überraschen kann 05:48Riesenerwartungshaltungen – über 1.400 unbeantwortete Anrufe auf dem Telefon an einem Tag 09:08Ein im Nachhinein „niedlicher“ 3-km-Radius um den ersten Ausbruchsort 12:50Wildschweine verstehen die Zäune – Menschen sind das Problem 15:40Kadaver entnehmen,Infektionsdruck senken – „was morgens gemeldet ist soll abends raus sein“ – man braucht Helfer 18:39Wer eine verendende Rotte gesehen hat weiß, dass man alles dransetzen muss, um die Infektionskette zu beenden und weiteres Sterben zu verhindern 21:00Nach acht Monaten ganz vorsichtig optimistisch, doch: Zuwarten und Hoffen hilft nicht, man muss konsequent arbeiten, Entnahme ist das zwingende Mittel 23:32Das ist jetzt mein Leben – das muss man gerne machen wollen 25:46Die Kraft und Macht der Medien – über Tatsachen offen berichten, aber nicht mutmassen 27:43Gab es politischen Druck? 29:05Vom „Ermessensspielraum“ und den besonderen Anforderungen an Amtstierärzte im Spannungsfeld von Anfeindungen und Augemaß 33:11Die wichtigste Botschaft für junge Amtstierärzte – worauf bei der Berufswahl achten
Die Gesprächspartnerin Portrait DVM Petra Senger

DVM Petra Senger hat es zu DDR-Zeiten eher durch Zufall in die Laufbahn als amtliche Tierärztin geführt. Inzwschen hat sie 35 Jahre Berufserfahrung mit einem Schwerpunkt in Tierseuchenbekämpfung. Seit November 2017 leitet sie die Veterinär- und Lebensmittelüberwachung im Landkreis Oder-Spree (Brandenburg). Mit 574 ASP-Nachweisen (Stand 28.2.2021) ist ihr Verantwortungsbereich bisher am stärksten von der Afrikanischen Schweinepest betroffen.
Über ihre Erfahrungen mit der ASP-Bekämpfung berichtete Sie auf vielen Kanälen, u. a. hier. Vortragsfolien dazu finden Sie hier als PDF-Download und auch als Videoaufzeichnung (YouTube-Link).

Hintergrund:

Bisher über 1.200 ASP-Nachweise bei Wildschweinen in Deutschland

Der 9. September 2020 war der Tag, an dem sich das von vielen Experten als unvermeidlich bezeichnete realisierte: Das Landeslabor Berlin-Brandenburg wies erstmals das Virus der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland nach – bei einem tot aufgefundenen Wildschwein im Landkreis Spree-Neiße an der deutsch-polnischen Grenze.

  • Weitere Funde in den sogenannten „Hotspots“ Dorchetal und Neuzelle bedeuteten, dass in kurzer Zeit ein Sperrgebiet ausgewiesen werden musste, dass sich auf drei Landkreise erstreckt: Spree-Neiße, Oder Spree und Dahme-Spreewald.
  • Ende September 2020 erfolgte eine weiterer ASP-Nachweis etwa 70 Kilometer nördlich im Landkreis Märkisch-Oderland. Damit musste ein 2. Kerngebiet eingerichtet werden.
    Und auch außerhalb des ersten Kerngebietes machte die Seuche einen 25 km-Sprung ins Landesinnere (siehe Karte unten), was zu einem dritten ASP-Kerngebiet führte.
  • Wiederum einen Monat später (31.10.2020) gab es den ersten ASP-Nachweis in Sachsen an der Grenze zu Brandenburg und Polen im Landkreis Görlitz.
  • Anfang März 2021 wurden dann auch ASP-infizierte Wildschweinkadaver auf dem Stadtgebiet von Frankfurt/Oder bestätigt.
Karte Ausbreitung Afrikanische Schweinepest (ASP) im deutsch-polnischen Grenzgebiet – Quelle: PigProgress

So erstreckt sich die sogenannte Pufferzone des deutschen ASP-Gebietes Inzwischen in Brandenburg entlang der polnischen Grenze von Sachsen im Süden bis nach Mecklenburg Vorpommern im Norden. Das Geschehen konzentriert sich dabei auf 5 Cluster (sechs ASP-Kerngebiete) in denen insgesamt 1.211 Nachweise bei Wildschweinen offiziell bestätigt sind. Die Hausschweinbestände sind aber weiterhin ASP-frei. (Stand 28.5.2021 / Quelle: FLI)

ASP schon seit Juni 2020 in Deutschland

Der erste offizielle ASP-Nachweis erfolgte zwar im September 2020. Bei der intensiven Fallwildsuche wurden aber auch mit ASP infizierte Kadaverreste entdeckt, deren Todeszeitpunkt Experten des Friedrich-Loeffler-Institutes auf Mitte Juli 2020 zurückdatieren.

Seuchendruck aus Polen

Auf der polnischen Seite ist der Seuchendruck noch deutlich höher. Die Zahl der ASP-Fallzahl bei Wildschweinen erreicht dort knapp die 5.000er Marke. Aber es sind in Westpolen auch zehn Hausschweinbestände betroffen – darunter eine Haltung mit 16.000 Schweinen.
Deshalb unterscheidet sich die Situation in Deutschland auch von den ASP-Ausbrüchen in Tschechien (2017) oder Belgien (2018). Dort waren es jeweils Einträge durch Menschen, die zu einem lokalen ASP-Geschehen führten. Dies liess sich entsprechend eingrenzen und dann auch wieder tilgen. Beide Staaten gelten inzwischen wieder als ASP-frei.

Im deutsch-polnischen Grenzgebiet erfolgte der Eintrag aber unmittelbar durch Wildschweine aus einer Nachbarregion mit hohem Infektionsdruck. Solange es entlang der Grenze auf beiden Seiten keine eingezäunten und wildschweinfreien „weißen Zonen“ gibt, bleibt dieser Druck bestehen.
Das Ziel der deutschen Behörden ist es, eine weitere Verbreitung ins Landesinnere sowie das Übergreifen auf Hausschweinbestände zu verhindern.

Weiterführende Informationen und Quellen:

Tabelle Überlebensfähigkeit Virus Afrikanische Schweinepest
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